Artisan Media Room - Produktkonfiguration 4.0

Artisan Media Room - Produktkonfiguration 4.0
03.08.2021


Ausgangssituation und Methodik:

Das hochwertige Möbel produzierende Unternehmen Artisan bestückt - ganz nach den Regeln des deutschen Möbelhandels - sogenannte Ausstellungskojen in Möbelhäusern. Was ausgestellt ist, wird auch gut verkauft. Die weiteren, nicht ausgestellten Kombinationen können sich die Kunden nur schlecht vorstellen, weswegen diese nur sehr selten abverkauft werden können.




Gesucht wurde eine neuartige Lösung, die die Vorstellungskraft der Kunden von der Notwendigkeit konkreter Bemusterungsstücke löst und ein gleichwertig realistisches Einkaufserlebnis liefert. Selbst konfigurierbare Varianten sollten mit echter Haptik kombiniert werden. Dies ist nur dann sinnvoll möglich, wenn es gelingt, die zwei Wahrnehmungskanäle ‘visuell’ und ‘haptisch’ so zusammenzuführen, dass ein nicht-künstliches Nutzungserlebnis geschaffen werden kann. Auf Grundlage von 3D-Technologie, verknüpft mit Augmented Reality, entsteht damit ein “Mixed-Reality-Präsentationsformat”.

 


Die haptische Wahrnehmung ermöglicht eine realitätsnahe, intuitivere sowie nutzergerechtere Informationsverarbeitung, was wiederum eine differenziertere Beurteilung durch den Nutzer zulässt. Zum einen werden Kaufunsicherheiten durch ein immersives Erlebnis reduziert, zum anderen die Kundeninteraktion und -bindung intensiviert. 

 
Technologische Innovation: Im Massivholzmöbelbereich muss die Auflösung für ein solches Format besonders hoch sein. Nur so kann die künstliche Anmutung von digitalen Lösungen überwunden werden, die Kunden in ihrer Kaufentscheidung aktuell noch an echte, also physische, Bemusterungsstücke bindet. Strukturierte Texturen, die am echten Stück existieren, müssen im digitalen Substitut zwingend darstellbar sein, womit die bisher normalerweise genutzte Rendering- Technologie nicht mehr ausreicht. Texturen müssen stattdessen die 3D-Form belegen, um eine hochwertige grafische Anmutung zu erreichen.


Umsetzung der Studie:

Forschungsfragen:

  • Wo liegt der sensible Wahrnehmungspunkt, an dem digitale und reale Wahrnehmung kombiniert eine realistische Empfindung erzeugen?
  • Ab welcher minimalen Bildqualität / visuellen Darstellungsgüte sprechen Individuen von einer realistischen und nicht-künstlichen Darstellung?
  • Wann schneiden sich Realität und Visualisierung in der Darstellungsgüte?
  • Welches Format eignet sich unter ökonomischen Gesichtspunkten zur Kombination der Bemusterung und Visualisierung?
  • Ist der Zusammenhang zwischen visueller und haptischer Wahrnehmung im speziellen Fokus linear oder interagierend?

Entwicklungsaufgaben:
  • Die physische Haptik der Texturen von Holz und Stoff wird mit virtueller Realität verknüpft, sodass ein reales Wahrnehmungserlebnis entsteht.
  • Über ein eigenes Device des Kunden am Point of Sale wird ermöglicht, das Warensortiment mit Augmented Reality vom Ausstellungssortiment abzuheben und damit quantitativ um eine enorme Vielfalt zu erweitern.
  • Im technologischen State-of-the-Art ist aktuell eine (Leistungs-)Grenze erreicht: die Verwendung einer CAD-Software und Rendering mit komplizierten Rechenmaschinen. Hier wird (simpel formuliert) ein Bild aufgesetzt, das die Oberflächen in Fototexturenqualität darstellen kann.
  • Mit diesen Fragen wird der eine, sensible Wahrnehmungs(psychologische)-Punkt das bestimmende Alleinstellungsmerkmal der Software-Entwicklung. Normalerweise wird die IT ergänzt durch menschliche Dimensionen, hier soll es anders herum passieren und das Menschliche soll die Basis für die IT liefern.
  • Notwendig wird eine höchstwertige Darstellung (bis auf Niveau des Fadenverlaufs bzw. der Holzfügestrukturen / Holzmaserung bis zur Holzfaserauflösung).
  • Freiformflächen müssen belegbar werden, echter Verlauf von Fügelinien soll darstellbar sein.



Ergebnisse und Schlussfolgerung:

Die Proband:innen konnten bei den dargestellten Texturen nicht unterscheiden, welche Bilder reale Fotos waren und welche Bilder künstlich generiert waren. Es ist also möglich, einen realen Eindruck zu generieren. „Künstliche / nicht realistische“ Bewertungen wurden vorgenommen, wenn bewusst oder unbewusst wahrgenommene Fehler in den Bildern enthalten waren. Da es sich bei hochwertigen Möbeln in der Regel um feingeschliffene Oberflächen handelt, muss davon ausgegangen werden, dass eine rein technische Nachbildung der haptischen Wahrnehmung für den vorliegenden Anwendungsfall bisher noch nicht möglich ist.

  • Die virtuelle Abbildung sollte durch typische physische Möbelmuster für Holz bzw. über Handmuster der Holzarten und der Stoffe ergänzt werden (Präsentation des Qualitätsversprechens); Hierzu ist ein Minimum an Mustern ausreichend.
  • Zukünftig könnten Lösungen integriert werden, die die Haptik (das Reiben) simulieren; hierzu werden wahrscheinlich zukünftige Smart Devices, z. B. mit deren Vibrationsfunktion genutzt werden können.
  • Es ist zu prüfen, ob in einem realen Möbelhausbetrieb (mit Publikumsverkehr) auditive Reize (Geräusch des Reibens auf dem Holz/dem Stoff) in Verbindung mit Smart Devices genutzt werden können.

Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass der Zusammenhang interagierend ist und haptische Muster nur fallweise eingesetzt werden müssen.   



Mehrwert:

Der Offline-Beratungs- und Verkaufsprozess wird durch Online-Elemente erweitert und mit diesen verschmolzen. So wird die Bedrohung des Einzelhandels durch das Online-Geschäft umgekehrt, indem Offline durch Online-Unterstützung ein relevanter Mehrwert zugeführt wird. Haptik wird weiterhin am Point of Sale erfahrbar bleiben. Varianten können über das Kunden-Device orts- und zeitunabhängig konfiguriert werden. 

 
Dies hat erleichternde Auswirkungen auf die handwerklich gefertigte, individuelle Variantenvielfalt, die Logistik und die Kundenbindung. Bemusterungsaufwände und -kosten sowie der physische Raum dafür werden eingespart. Wahrnehmungspsychologische Aspekte werden dabei so einbezogen, dass eine realistische Erfahrung und darauf basierende fundierte Entscheidungen der Kunden getroffen werden können!